06.02.2009

Datashock Logbuch: Mainz, 31.1.2009 (Teil 1)



Nachdem Willi Wucher mir am Vorabend im Club auf die Stiefeletten getreten ist brauche ich dringend neue Schuhe. Es ist 15:30 Uhr und es steht ein Debakel bevor: wir wollen uns um 16 Uhr treffen – oder irgendwo so um die Uhrzeit. (Wer kann das noch sagen, Bier ist einfach böse.) Jedenfalls ist nicht viel Zeit zum Schuhkauf! Die 10 Euro Mantaletten aus dem C&A sehen aus wie Neo-Mokassin aus PVC: „Nein, danke“, sag’ ich mir und steuere das nächste Schuhgeschäft an. Die italienischen Designerschuhe von Vero Cuoio haben es mir angetan, aus feinstem italienischen Chiahonania Leder, denn für die heutige Show werden weder Kosten noch Mühen gescheut!

Gerade rechtzeitig schaffe ich es zum Treffpunkt, der Rest der Truppe hingegen ist immer noch schlafmützig. Im Kasernenton wird ihnen Beine gemacht, und sie räumen flux alles in unser Transportmittel ein.

Auf der Fahrt wird viel geraucht, Jan stimmt das nicht so glücklich. An einer Tanke in Mainz gibt es kurzes Gelächter über den Dialekt „Meenzer derfe deesss“ (– jedoch wird uns schnell klar, dass wir hier die Dialektpariahs sind).

Oki Doki, endlich an der Walpodenakademie. Alle sind da: Holger, der Brandstifter, Daniel etc. Zur Begrüßung wird geraucht. Ronnie und Ruth tauchen auch gleich auf, zur Begrüßung wird noch mehr geraucht.

Es wird Zeit für das erste Bier und aufzubauen, es soll ja noch etwas geleistet werden! Nach 5 Minuten weiß ich auch wieder wie ich mein Set-up zu verkabeln habe, auf Soundcheck scheiße ich und rauche vor der Tür eine weitere Zigarette. Es wird viel geredet und das meiste Leben findet vor der Tür beim Rauchen statt. Rauchen ist ein wichtiger Bestandteil der Band. Vielleicht gibt es die Band auch nur weil wir alle rauchen... Man lernt Leute kennen: Joachim von S/T, Stefan von Youdon'thavetocallitmusic und, und, und: ein Meet & Greet von Rauchern des Südwestens.

Dann ist es ist halb 10 und die Meute sowie Holger werden ungemütlich (– über 50 Zuschauer lässt man nicht warten): Okay, lieber Holger, dann dreh halt „Pulu Pulu" von Jorge Ben aus und sag es wäre Quatsch... Mich hat es emotional berührt.

Wir legen mabu los. Ich teste schon einmal wie lange mein Microkabel ist und trete vor die Tür. – Kippen leider vergessen und wieder rein. Der Plan am Anfang einen längeren Drone-Part zu spielen scheitert an meinem reduzierten Set-up. Egal, wir können ja rocken! Dumpfe Bässe, kreischende Gitarren, ein Keyboard Sound wie in Walhalla und ein Drumbeat in Richtung frühe Böhse Onkelz.

Das Mainzer Publikum ist außer sich, ich verkünde über das Mikrofon: „Wwir sind eine neue Religion, ich euer neuer Messias“. Ich glaube sie haben mich nicht verstanden. Nach 3 mal aufs Handy schauen, um die Uhrzeit herauszufinden, packt mich der Entschluss zu rauchen: Ab, raus vor die Tür. Ich muss auch nur einen Zuschauer anschreien, damit er von meinem Microkabel geht.

Vor der Tür mach’ ich erstmal eine Kippe an. Drinnen bricht nach und nach der Sound weg... Als er fast verklungen ist gebe ich Anweisungen weiter zu machen, die stoßen auf taube Ohren. Der Applaus kam sehr verhalten; dies spricht für eine nicht ausreichende Performance. Das mach’ ich dem Publikum auch klar und verspreche eine 5-minütige Zigarettenpause. (War natürlich gelogen. Aber so verhalt der Ruf nach Zugabe.)

Draußen wir geraucht, gesoffen und dumm geredet. Martin Büsser wird erkannt und zugesülzt. (Drinnen entere ich das DJ-Pult und lege Klassiker von Fleetwood Mac bis Ata Tak auf, getanzt wird wenig.)

Nach einem ordentlichen Saufgelage wird jetzt auch drinnen geraucht. Gegen halb zwei Uhr nachts: Zuschauer jammen mit unseren Instrumenten... Durch Oberton Gesangsübungen von Jan und dem Herren Büsser entwickelt sich ein zweites Set der Liebe und Freude.

Im Hardcore ziehen verschwitzte Männer dafür ihr T-Shirt aus und liegen sich homoerotisch in ihrem Armen. Unser „Fest der Liebe“ erinnert eher an eine Hippie-Kommune der 60er – nur das wir nicht nackig sind und ich einer der wenigen (außer Holger und Markus) mit langen haaren bin. Es ist schön und ich bin tierisch betrunken.

Wir müssen nach Wiesbaden aufbrechen. Im Auto von Johannes sülze ich über Tiefkühlpizzatests und das Leckermäulchen-Punktevergabe-System. In Wiesbaden helfen mir zwei jugendliche Marokkaner einen Zigarettenautomaten zu finden. Was den weiteren Verlauf der Nacht betrifft: Ich weiß nur noch, dass ich irgendwas kaputt gemacht habe...

In meinen italienischen Lederschuhen wache ich am nächsten morgen auf Holgers Couch auf. Ein gelungener Abend!

Ab heim. Auf dem Heimweg reden wir über die Gage. Wie, nur 50 Euro? Es macht sich Unmut breit – dann wird uns klar: wir haben zusätzlich mindestens 3 Kisten Bier und 4 Flaschen Wein weggesoffen und schämen uns, was wir für ein undankbarer Rockstar-Pöbel sind. Wir hoffen auf Wiederholung. Danke, Mainz!

Euer Pasibär

Weitere Stimmen:

Martin Büsser (www.testcard.de): „Das Konzert war ein Brett, so ‘ne Mischung aus No Neck Blues Band und frühen Pink Floyd und dazu haben sie über Beamer den abgefahrenen Film „Begotten“ gezeigt. Weil Datashock aber für mein Empfinden viel zu kurz gespielt haben, habe ich irgendwann nachts die Bühne erstürmt und mit gestörten Ritualgesängen losgelegt. Brandstifter hat sich eine Gitarre geschnappt und plötzlich waren alle Datashock-Leute wieder mit von der Partie, klang alles ganz schön finster nach Manson Family. War ein sehr schöner Abend in Mainz und ein gelungenes Konzert! Hatte zwar einige Schlagseite auf dem Heimweg und der Sonntag war für’n Arsch, aber so ist es nun einmal...“

Joachim (s/t): „Also dem lieben Pascal an dieser Stelle mal Gratulation für einen prima Gig. Schöne dichte Atmosphäre, prima morbides Filmchen, guter Sound, kaltes Bier. Alles, was live geil ist, man aber nie auf Tonträger auffangen kann.“

Stefan (www.youdonhavetocallitmusic.de): „Das Konzert am Samstag fand ich auf jeden Fall ziemlich klasse. Für mich seit langem mal wieder ein sehr gelungener Konzertabend!“

Acid Roncho (Datashock): „Oh Mann, ich bin echt stolz. kann man so sagen. Selten sooo euphorisch nach 'nem Konzi gewesen. Will jetzt sofort auf Tour. Das Ganze mit zweiter Gitarre und Schlagzeug ist ne verdammt gute Sache!“

LL Cool P (Datashock): „Bier war geil. Rotwein lecker. Weisswein eher semi.“

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